Die historische St. Nicolai-Kirche ist seit dem 18. Jahrhundert der Mittelpunkt der Wittmunder Innenstadt. Von weitem sichtbar ist der Schwan auf dem Kirchturm, der symbolisch an den Reformator Martin Luther erinnert. Jeden Tag um 21 Uhr läuten die Kirchturmglocken, um Fräulein Maria von Jever, die der Sage nach im 16. Jahrhundert über einen unterirdischen Gang nach Wittmund geeilt sein soll, den Weg zu weisen. Ergänzt wird der Kirchplatz, der den höchsten Punkt der Stadt abbildet, durch das „Sniederhus“ und das Denkmal „Germania“.
Um 880 soll in Wittmund bereits eine Kirche gestanden haben, die infolge kriegerischer Ereignisse 1164 zerstört worden ist. Um 1140 soll in Wittmund an selber Stelle eine Wehrkirche gestanden haben, sie wurde 1540 wiederum zerstört. Die dann entstandene St.-Nicolai-Kirche war der Vorgänger der Kirche von heute. St. Nikolaus ist der Schutzheilige der Schiffer. Nach ihm ist die Kirche benannt. Um 1370 wurde die Wittmunder Kirche auf Drängen der führenden ostfriesischen Häuptlingsfamilie tom Brok zu einer Wehrkirche ausgebaut, die auch als Burg bezeichnet wurde. Daher kann der Name Burgstraße entstanden sein.
Bei der heutigen im Jahr 1775/76 errichteten St.-Nicolai-Kirche handelt sich um eine spätbarocke Saalkirche aus Backstein mit angebautem Westturm. Das südliche Eingangsportal wird in einem Mittelrisalit von Sandsteindekor gerahmt. Zur Ausstattung gehören eine Barockkanzel von 1667, ein Taufständer aus Holz von 1777 und die 1776 von Hinrich Just Müller geschaffene Orgel, von der nur noch der Prospekt erhalten ist. Der auf dem Turm befindliche Schwan besteht aus Kupferblech und wurde 1797 montiert.
Der Schwan erinnert an den Reformator Jan Hus und ist typisch für Ostfriesland. Die Geschichte zum Schwan spielt im Juli 1415. Jan Hus, Priester und Universitätsprofessor, predigt und reformiert wie einhundert Jahre nach ihm Martin Luther. Als der Prager Theologe auf dem Scheiterhaufen steht, soll er folgendes gesagt haben: "Heute bratet ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan auferstehen." 1517 wird aus Martin Luther ein Reformator. Er liest die Schriften von Jan Hus, teilt dessen Ansichten und kennt die Worte vom Schwan. Er bezieht sie auf sich. Und dann kommt die Kunst. Einige Maler und Grafiker porträtieren Martin Luther mit einem Schwan zu seinen Füßen. Viele Gemeinden in Ostfriesland brachten den majestätischen Vogel aufs Kirchendach. Rechts neben dem Hauptportal der Kirche befindet sich ein historisch bedeutsamer Höhenfestpunkt. Er wurde im Rahmen der Königlich Preußischen Landesaufnahme in den Jahren 1868 bis 1894 bestimmt und war ein wichtiger Ausgangspunkt für Höhenvermessungen in Ostfriesland. Die Oberkante der Höhenmarke hat eine Höhe von 8,312 Meter über NHN.
Das auf dem Kirchplatz stehende Denkmal einer Germania erinnert an die Wittmunder Gefallenen im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. In den 1970er Jahren verlor das Denkmal Schwert und Schild, die erst viel später auf dem Dachboden der Friedhofskapelle wiederaufgefunden wurden. Im Jahr 2008 erfolgte auf Initiative des Heimatvereins Wittmund die Restaurierung der gesamten Statue. 1822 wurde die alte Latein-/Rektorschule, die sich westlich des Kirchturms befindet, am Kirchplatz erbaut. Der Platz um die Kirche diente 1457 bis 1843 als Friedhof.
Zum Erntedankfest am 4. Oktober 1953 erwarb die Kirchengemeinde die Glocke aus Gusseisen mit den Inschriften „Gott ist treu“ und „Sei getreu bis in den Tod“. Leider zeigen Glocken aus Gusseisen schnell Ermüdungserscheinungen, so dass die Treue-Glocke 1974 durch eine Glocke aus Bronze ersetzt wurde und nun einen Ehrenplatz am Kirchturm hat.
Das Sniederhus in der Lohne von der Kirchstraße zur St.-Nicolai-Kirche wurde 1989 vom Kuratorium für Altenhilfe beim Bürger- und Verkehrsverein erworben und wiederaufgebaut. Der letzte Besitzer des Hauses war Ricklef Harms und von Beruf Schneider, daher: Sniederhus.
Die jüdischen Bürger hatten in Wittmund einen Friedhof an der Finkenburgstraße, der heute noch durch einige Grabsteine erkenntlich ist. Dieser Friedhof wurde bis 1902 benutzt. Daraufhin entstand der Friedhof an der Auricher Straße. Das Haus östlich des Friedhofs an der Brückstraße diente als Synagoge. Im Jahr 1816 wurde eine neue Synagoge auf dem heuteigen Synagogenplatz in der Kirchstraße gebaut. Die Synagoge wurde im Juni 1938 von der jüdischen Gemeinde an einen Kaufmann auf Abbruch verkauft, so dass sie bei den Novemberpogromen 1938 schon nicht mehr vorhanden war.
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